2. Dezember 2022

“Die Senkung des Sprachniveaus ist keine geeignete Maßnahme, um den Anteil internationaler Studierender zu erhöhen”

Im dritten Teil unserer Interview-Serie zum DAAD-Sammelband “Internationale Studierende in Deutschland: Perspektiven aus Hochschulforschung und Hochschulpraxis” sprechen wir mit Anne Quander und Dr. Fabian Altemöller von der Hochschule Koblenz über ihren Beitrag zum Thema “Deutschkurse, Gasthörerschaft, Beratung: Motoren für den Studienerfolg!”. Sie berichten darin von den Erfahrungen ihrer Hochschule, das zur Immatrikulation für deutschsprachige Studiengänge erforderliche Sprachniveau in Deutsch von C1 auf B2 zu senken, um mehr internationale Studierende zum Studium zulassen zu können. Eine zentrale Erkenntnis aus ihrer Sicht: B2-Sprachkenntnisse zu Beginn des Studiums sind in den meisten Fällen nicht ausreichend, um ein deutschsprachiges Studium erfolgreich abschließen zu können.

Leiterin und stellvertretender Leiter des International Offices der Hochschule Koblenz: Anne Quander und Dr. Fabian Altemöller. (Bildquelle: Hochschule Koblenz)

Was war Anlass und Ziel Ihres Projektes?

Quander: Das Projekt hat eine längere Vorgeschichte, ich muss deshalb zunächst ein wenig ausholen, weil diese wichtig für das Verständnis des Projekts ist: Bis zur Corona-Pandemie war ein bundesweiter Aufwärtstrend bei der Anzahl der internationalen Studierenden festzustellen. In Rheinland-Pfalz war allerdings diesbezüglich eine geringe Dynamik zu konstatieren. Lediglich fünf Bundesländer – Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen – hatten einen niedrigeren Anteil internationaler Studierender aufzuweisen als Rheinland-Pfalz.

Die Hochschule Koblenz ist mit knapp 10.000 Studierenden an drei Standorten Koblenz, Remagen und Höhr-Grenzhausen, die größte Hochschule für angewandte Wissenschaften in Rheinland-Pfalz. Die Zahl der internationalen Studierenden ist von 428 im Wintersemester 2016/17 auf 1.393 im Wintersemester 2020/21 stark angestiegen, wodurch derzeit rund 14 Prozent aller Studierenden der Hochschule aus dem Ausland kommen. Zum Wintersemester 2016/17 wurde das zur Immatrikulation erforderliche Sprachniveau in Deutsch von C1 auf B2 gesenkt. Grundlage hierfür war ein Schreiben des Wissenschaftsministerium Rheinlad-Pfalz, mit der Empfehlung, dass Sprachniveau für internationale Studierende bei der Studienaufnahme generell zu senken. Infolgedessen haben sich die Zahlen der internationalen Studierenden innerhalb von zwei Jahren verdreifacht. Eine Anpassung der Rahmenbedingungen an das niedrigere Sprachniveau und die steigende Zahl von internationalen Studierenden fand damals aber nicht statt. Mittlerweile ist das Sprachniveau allerdings bei fast allen Fachbereichen wieder auf das C1 Niveau hochgesetzt worden.

Altemöller: Im Studienverlauf der Kohorten, die mit B2-Deutschkenntissen eingeschrieben wurden, stellte sich heraus, dass deren Sprachkenntnisse zum Großteil nicht ausreichend für ein erfolgreiches Abschließen des Studiums waren. Der Fachbereich Bauingenieurwesen hat aus diesen Erfahrungen einen studienbegleitenden Intensiv-C1-Deutschkurs eingerichtet. Gleichzeitig führte das International Office, gefördert durch das Integra-Programm des DAAD, studienvorbereitende B2-Deutschkurse für Geflüchtete ein. Das Ziel des Projektes war es daher, drei Gruppen von internationalen Studierenden hinsichtlich ihres Studienerfolgs zu vergleichen: Studierende, die lediglich über ein nachgewiesenes B2-Niveau für Deutsch verfügten, Studierende mit studienbegleitendem C1-Kurs im Studiengang Bauingenieurwesen und Studierende, die sich mit B2-Kenntnissen immatrikuliert hatten, aber zusätzlich am studienvorbereitenden Integra-Programm des DAAD teilnahmen.

Was sind die wichtigsten Befunde bzw. Ergebnisse Ihres Projektes aus Forschungsperspektive?

Altemöller: Die Senkung des Sprachniveaus bei Studienaufnahme ist keine geeignete Maßnahme, um den Anteil internationaler Studierender zu erhöhen. Ein studienbegleitendes Aufholen der defizitären Sprachkenntnisse, die zu einem erfolgreichen Studium nötig sind, bindet zu viel Zeit im Fachstudium und führt eher zum Studienabbruch als zum Studienerfolg. Dies zeigt insbesondere die große Nachfrage nach C1-Intensivkursen in der vorlesungsfreien Zeit. Wir konnten zudem nachweisen, dass der studienvorbereitende Deutschkurs im Integra-Programm, der neben der reinen Vermittlung von Deutschkenntnissen auch eine Studienberatung, eine soziale Anbindung an einheimische Studierende durch das Buddy-Programm sowie den Kontakt mit den Beratungsstellen der Hochschule umfasst, den Studienerfolg deutlich erhöht hat. Teilnehmende dieser Kurse haben, im Vergleich mit den anderen Gruppen, überdurchschnittlich gut und schneller ihr Studium beendet.

Welche konkreten Schlussfolgerungen könnten sich aus Ihrem Projekt für die Hochschulpraxis ergeben?

Quander: Eine frühzeitige Bindung an eine Hochschule und soziale Integration, verknüpft mit dem Erlernen der Fachsprache in Deutsch, können vor Aufnahme des Studiums sehr wirkungsvolle Instrumente sein, die zum gewünschten Studienerfolg beitragen. Wir leiten für unsere Arbeit ab, dass Deutschkurse, die auf die Erhöhung oder Erlangung eines bestimmten Sprachniveaus abzielen, aufgrund der Nachfrage vor allem in die vorlesungsfreie Zeit verlegt werden sollten. Sprachkurse für internationale Studieninteressierte vor der Bewerbung direkt an der Hochschule anzubieten und durch die soziale Interaktion eine Verbindung zur Hochschule zu schaffen, kann ein wichtiger Baustein sein, um die Gruppe der internationalen Studierenden nachhaltig zu stärken und erfolgreich zum Studienabschluss zu führen.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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