2. Februar 2023

Neue Analyse zum subjektiven Wohlbefinden internationaler Studierender in Deutschland

Dr. Julia Zimmermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet Bildungspsychologie an der FernUniversität in Hagen. In Ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit unterschiedlichen Facetten der internationalen Studierendenmobilität, u.a. mit dem Studienerfolg internationaler Studierender in Deutschland. Auf Basis von Daten des vom BMBF geförderten SeSaBa-Projekts hat sie nun gemeinsam mit ihrem Kollegen Juan Serrano-Sánchez das subjektive Wohlbefinden internationaler Studierender im Studienverlauf und zu Beginn der Corona-Pandemie untersucht. Im Interview mit uns erläutert sie die wichtigsten Befunde der Analyse, die Ende Januar in der DAAD-Publikationsreihe „DAAD Forschung kompakt“ veröffentlicht wurde.

Dr. Julia Zimmermann ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet Bildungspsychologie an der FernUniversität in Hagen. (Bildquelle: Fotostudio Knipper)

Sie haben sich in Ihrem Beitrag für „DAAD Forschung kompakt“ mit dem subjektiven Wohlbefinden internationaler Studierender in Deutschland im Studienverlauf beschäftigt. Können Sie uns kurz erläutern, was der Anlass für diese Analyse war und wer dafür genau befragt wurde?

Das subjektive Wohlbefinden, d.h. ob man sich froh, ausgeglichen und aktiv fühlt, ist ein wichtiger Aspekt der psychischen Gesundheit. Zugleich geht ein hohes Wohlbefinden auch mit weiteren positiven Merkmalen, wie z.B. höherer intrinsischer Motivation und akademischem Erfolg einher. Es ist jedoch auch bekannt, dass Migrationserfahrungen, wie sie auch internationale Studierende machen, ein Risikofaktor für das Wohlbefinden sein können – Grund genug, das Wohlbefinden der internationalen Studierender in Deutschland einmal genauer zu betrachten. Die internationalen Studierenden, die wir im Rahmen des Projekts „Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländerinnen und –ausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium“ – kurz: SeSaBa – befragt haben, waren zum Beginn der Längsschnittstudie im Wintersemester 2017 alle im ersten Semester eines Bachelor- oder Masterstudiengangs an einer Hochschule in Deutschland eingeschrieben und gaben an, einen Studienabschluss in Deutschland anzustreben. Wir haben die Studierenden im Verlauf von drei Jahren insgesamt sechs Mal zu ihrem Studium und ihrem Leben in Deutschland befragt.

Gab es denn bestimmte Zeitpunkte im Studienverlauf mit auffälligen Ausschlägen beim subjektiven Wohlbefinden der internationalen Studierenden? Ein spezieller Fokus Ihrer Analyse war ja der Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland im Sommersemester 2020. Man würde vermuten, dass sich das subjektive Wohlbefinden der internationalen Studierenden in diesem Zeitraum signifikant verschlechtert hat, konnten Sie das mit Ihren Daten bestätigen?

Insgesamt betrachtet weisen die Längsschnittanalysen vor allem auf eine hohe Stabilität des Wohlbefindens der internationalen Studierenden über den Untersuchungszeittraum der ersten drei Studienjahre hin – und das sogar trotz des Beginns der Coronapandemie. Möglicherweise hat diese Stabilität damit zu tun, dass die von uns befragten Studierenden sich zum Beginn der Pandemie schon im 5. Semester befanden und dadurch mit den Inhalten und Abläufen im Studium schon so vertraut waren, dass die zusätzlichen Herausforderungen des Studiums unter Pandemiebedingungen ihr Wohlbefinden wenig beeinträchtigten. Internationale Studierende, die ihr Studium in Deutschland zu Beginn der Corona-Pandemie aufnahmen, haben das vielleicht ganz anders erlebt.

Sie haben nicht nur die Entwicklung des Wohlbefindens im Zeitverlauf betrachtet, sondern auch Unterschiede zwischen verschiedenen Studierendengruppen. Was sind diesbezüglich aus Ihrer Sicht die wichtigsten Befunde Ihrer Analysen?

Unsere Analysen zeigen durchaus Unterschiede im Wohlbefinden zwischen verschiedenen Studierendengruppen: Weibliche Studierende berichteten ein geringeres Wohlbefinden als ihre Kommilitonen, und Bachelorstudierende erzielten geringere Werte als Masterstudierende. Auch die Herkunftsregion der Studierenden spielt eine Rolle: Studierende aus Mittel- und Südosteuropa, aus Osteuropa und Zentralasien sowie aus Nordafrika wiesen im Vergleich zu Studierenden aus Westeuropa ein geringeres Wohlbefinden auf, Studierende aus Nordamerika hingegen erreichten höhere Werte.

Am interessantesten ist aus meiner Sicht der Befund, dass Studierende, die im späteren Studienverlauf einen Studienabbruch berichteten, schon zu Studienbeginn ein geringeres Wohlbefinden zeigten als Studierende mit einem kontinuierlichen Studienverlauf. Wir vermuten, dass dies einerseits mit negativen Erwartungen der Studierenden, etwa Angst vor sprachlichen und fachlichen Anforderungen oder Prüfungen zu tun haben könnte, denen Sie sich nicht gewachsen fühlten. Andererseits könnte ein reduziertes Wohlbefinden auch ein Indikator für gesundheitliche Belastungen sein, die die Studierenden bei der erfolgreichen Bewältigung des Studiums einschränken. Auf jeden Fall bietet dieser Befund einen Ansatzpunkt für weitere Forschung zu diesem Thema, auch um Schlussfolgerungen für eine Optimierung von Angeboten zur psychosozialen Beratung und Begleitung der betreffenden Studierenden an den Hochschulen ableiten zu können.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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