10. Mai 2023

“Viele der geförderten Forschenden haben auch nach dem Ende der Förderung eine Verbindung zu Deutschland aufrechterhalten”

Wie wirkt sich die DAAD-Förderung internationaler Promovierender auf deren Forschungs- und Publikationsverhalten aus? Dieser Frage ist eine vor Kurzem in der Publikationsreihe “DAAD Forschung kompakt” veröffentlichte Studie nachgegangen. Durchgeführt wurde die Studie von einem Forschungsteam der Stellenbosch Universität in Südafrika und der Universität Leiden in den Niederlanden. Im Interview erläutern die drei Mitglieder des Forschungsteams, wie sie dabei genau vorgegangen sind, welche Befunde aus ihrer Sicht besonders bemerkenswert sind und welche Schlussfolgerungen sich hieraus für Forschung und Praxis ergeben. (Das Interview wurde aus dem Englischen übersetzt.)

Die drei Autoren der Studie: Prof. Johann Mouton vom Centre for Research on Evaluation, Science and Technology (CREST) der Universität Stellenbosch (Südafrika) sowie Dr. Rodrigo Costas und Jonathan Dudek vom Centre for Science and Technology Studies (CWTS) an der Universität Leiden (Niederlande).

Was war die zentrale Forschungsfrage Ihrer Analyse und welche Methodik haben Sie dabei verwendet?

Johann Mouton: Gemeinsam mit dem DAAD wollten wir die wissenschaftlichen Karrierewege der vom DAAD geförderten internationalen Promovierenden untersuchen. Ausgangspunkt waren die bibliometrischen Daten der Geförderten, d.h. die Publikationen, die während und nach Abschluss der Promotion entstanden sind. Anhand dieser Hinweise auf die wissenschaftliche Arbeit wollten wir Muster erkennen: Wie aktiv waren die Forschenden, haben sie ihre institutionelle Zugehörigkeit gewechselt und wie stark waren sie in Kooperationen mit Forschenden aus Deutschland eingebunden?

Es war leichter gesagt als getan, die Veröffentlichungen der vom DAAD geförderten Promovierenden zu finden und zu identifizieren. Wir haben mit einer Liste von etwa 4.800 DAAD-Geförderten begonnen und mussten diese Personen in anderen Datensätzen identifizieren. Zunächst haben wir die Namen mit den Autorinnen und Autoren in einer Publikationsdatenbank – Web of Science – abgeglichen. Dabei wurden wir von einem Algorithmus unterstützt. Die Ergebnisse wurden manuell überprüft, wobei auch Informationen von anderen Plattformen berücksichtigt wurden, z. B. von ORCID, einer Datenbank, die dauerhafte digitale Identifikatoren – so genannte ORCID iDs – für Forschende bereitstellt. Mit einer ORCID iD kann eine Forscherin oder ein Forscher von allen anderen Forschenden auf der Welt unterschieden werden. Die Informationen, die wir auf diese Weise erhielten, wurden durch die Einbeziehung von Autorendatensätzen aus anderen Publikationsdatenbanken ergänzt. Am Ende hatten wir einen reichhaltigen Datensatz, der es uns ermöglichte, den Publikationsoutput, die Kooperationsnetzwerke und die Zugehörigkeiten der vom DAAD geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler recht umfassend zu untersuchen.

Können Sie die wichtigsten Ergebnisse der Analyse für uns zusammenfassen?

Jonathan Dudek: Gerne. Zunächst einmal haben wir bei der Durchführung dieser Analyse eine ganze Menge gelernt. Bei der Identifizierung der Ergebnisse der geförderten Forschenden standen wir vor der Herausforderung, dass die Namen der Autorinnen und Autoren nicht eindeutig waren. Es stellte sich heraus, dass die ORCID iDs bei diesem Prozess eine große Hilfe waren, zumindest wenn sie vorhanden waren. Allerdings konnten nur etwa 48 Prozent der Forschenden in unserem Datensatz mit einer solchen Kennung verbunden werden. Selbst Forschende, für die wir Veröffentlichungen finden konnten, hatten nicht immer eine ORCID iD. Dies zeigt, dass es eindeutig Raum für Verbesserungen gibt, so dass einzelne Forschende mit ihren Ergebnissen richtig verknüpft werden können.

Nun aber zu den inhaltlichen Ergebnissen der Studie: Wir können feststellen, dass der Anteil der geförderten Forschenden, die über Ko-Publikationen mit Deutschland verbunden sind, während des Förderzeitraums gestiegen ist. Das war zwar zu erwarten, aber wir haben auch festgestellt, dass viele der geförderten Forschenden auch nach dem Ende der Förderung eine Verbindung zu Deutschland aufrechterhalten haben. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Forschenden auch über die Förderung hinaus akademische Beziehungen in Deutschland aufgebaut haben. Es könnte auch darauf hindeuten, dass die Förderung zu dauerhaften, nachhaltigen Forschungsnetzwerken beiträgt.

Rodrigo Costas: In diesem Zusammenhang weisen unsere Ergebnisse auf einen interessanten Aspekt in Bezug auf die deutschen Kooperationspartnerinnen und -partner der geförderten Forschenden hin: Sie zeigten zunehmende Kooperationen mit den Ländern, aus denen die geförderten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stammten – auch über den Förderzeitraum hinaus. Interessanterweise gilt dies auch, wenn man die Kooperationen mit den DAAD-geförderten Forschenden ausschließt. Dieses Ergebnis unterstreicht noch einmal den Befund, dass sich vor, während und nach der Förderung erweiterte Kooperationsnetzwerke entwickeln.

Ein weiteres hervorzuhebendes Ergebnis ist die Vielfalt der Herkunft der geförderten Forschenden, sowohl geografisch als auch in Bezug auf die Forschungsgebiete. Dennoch gibt es eine Reihe von Ländern, die herausragen, allen voran Russland, Pakistan, Ägypten und die Vereinigten Staaten. Was die Forschungsbereiche anbelangt, so entfällt der größte Teil der von uns untersuchten Forschenden auf die Biomedizin und die Gesundheitswissenschaften: zwei Drittel. Im Gegensatz dazu entfallen auf die Sozial- und Geisteswissenschaften nur etwa zehn Prozent und auf Mathematik und Informatik etwa neun Prozent.

Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten wissenschaftlichen und praktischen Schlussfolgerungen, die sich aus Ihren Befunden ergeben?

Mouton: Generell gesagt konnten wir aufzeigen, dass eine bibliometrische Analyse für eine Studie über die Entwicklung von geförderten Forschenden sehr aufschlussreich sein kann. Dies geht weit über das bloße Zählen von Veröffentlichungen oder Zitaten hinaus, sondern umfasst die gesamte Bandbreite von Themen, geografischen Verbindungen und Kooperationsnetzwerken.

Dudek: In einem sehr praktischen Sinne zeigt unsere Studie, wie wichtig die Verwendung von Identifikatoren wie der ORCID iD ist, um Forschungsaktivitäten und individuelle Finanzierung zuverlässig zu erfassen und miteinander zu verbinden. Dies hat Auswirkungen auf die Forschenden selbst, die sich vergewissern können, dass ihre Arbeiten richtig gezählt werden. Aber auch für eine Förderorganisation wie den DAAD ist die Anforderung einer ORCID iD von geförderten Forschenden aus unserer Sicht unerlässlich, um deren Publikationsaktivitäten untersuchen zu können.

Costas: Schließlich hat diese Studie eine Reihe von Ideen für zukünftige Forschungen geliefert. Offensichtlich kann die Förderung mit dauerhaften Netzwerken der Forschungskooperation verbunden sein. Es wäre sehr interessant zu untersuchen, wie genau das funktioniert, z. B. wie die Förderung durch den DAAD zur Schaffung und Aufrechterhaltung von Verbindungen mit Deutschland beitragen kann. Ein weiterer sehr interessanter Aspekt wäre es, die positive Rolle der Förderung für die deutschen Kooperationspartnerinnen und -partner und die möglichen Spill-over-Effekte einer Förderung wie der durch den DAAD näher zu untersuchen.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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