10. Januar 2023

“Eine strukturierte Fachvorbereitung hilft, ein erfolgreiches Fachstudium zu absolvieren”

Im vierten Teil unserer Interview-Serie zum DAAD-Sammelband “Internationale Studierende in Deutschland: Perspektiven aus Hochschulforschung und Hochschulpraxis” sprechen wir mit Dr. Christina von Behr und Mirja Uschkureit von der Academy HERE AHEAD – der Bremer Landeseinrichtung für das Vorbereitungsstudium für internationale Studieninteressierte. Sie erläutern darin u.a. den spezifischen Ansatz der Academy bei der Studienvorbereitung internationaler Studieninteressierter, die Unterschiede zwischen internationalen Studierenden mit und ohne Fluchthintergrund und die zentralen Erfolgsfaktoren der Bremer Studienvorbereitung.

Dr. Christina von Behr (l.) ist seit 2016 Leiterin der Academy HERE AHEAD – der Bremer Landeseinrichtung für das Vorbereitungsstudium für internationale Studieninteressierte. Mirja Uschkureit ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Academy. (Bildquelle: Matej Meža/HERE AHEAD:)

Frau von Behr, könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern zunächst einmal kurz erläutern, wie es zur Einrichtung der Academy HERE AHEAD kam?

Christina von Behr: Als sich im Frühjahr 2014 abzeichnete, dass sich die Zahl der Geflüchteten aus Syrien erhöhen wird, entwickelte die Universität Bremen schnell und unbürokratisch das Programm „:in-touch“ – ein Gasthörenden-Programm zur Aufnahme von geflüchteten Akademikerinnen und Akademikern in die Universität und in Forschungsgruppen. Schnell schlossen sich die anderen Hochschulen des Landes an, das Programm wuchs und fand europaweit Nachahmer. Aufgrund der steigenden Zahl von geflohenen syrischen Studierenden und Studieninteressierten rief der DAAD das INTEGRA- und das Welcome-Programm ins Leben. 2016 wurde u. a. dank dieser Förderungen die Academy HERE AHEAD als hochschulübergreifende Institution gegründet, um studienvorbereitende Programme für internationale Studieninteressierte zu schaffen. Dies geschah auch mit der Absicht, einen alternativen Hochschulzugang für ein Studium an den Bremer Hochschulen zu schaffen, denn das Bremer Studienkolleg als Landeseinrichtung wurde bereits 1983 geschlossen. Inzwischen bietet die Academy mit den Programmen „:here studies – das Vorbereitungsstudium für Geflüchtete“ und „:prime – der Bremer Weg des Studienkollegs“ vielen jungen Menschen die Möglichkeit, ihren Wunsch nach einem Studium in Bremen zu verwirklichen.

Was sind die wichtigsten Befunde bzw. Ergebnisse Ihrer Arbeit aus Forschungsperspektive?

Mirja Uschkureit: Die vielen Bausteine in der Academy bieten zwar einen reichhaltigen Fundus an Erfahrungen, aber leider haben wir keine Möglichkeit, die Befunde und Daten weiter zu erforschen. Dabei stellen sich geradezu täglich spannende Fragen: Da an der Academy internationale Studieninteressierte mit und ohne Fluchthintergrund gemeinsam im Vorbereitungsstudium studieren, wäre es sehr interessant herauszufinden, welchen Einfluss die Fluchterfahrung auf Erfolg oder Misserfolg des Studiums hat. Oder ob eine sprachliche Vorbildung beim Deutsch-Spracherwerb einen Vorteil mit sich bringt und inwieweit studienvorbereitende Programme den Studienerfolg begünstigen.

In unserer alltäglichen Arbeit zeigt sich, dass die internationalen Studierenden ohne Fluchthintergrund eindeutig selbständiger agieren, während geflüchtete Studierende, vielleicht durch ihr „erzwungenes“ Neuankommen, stärker durch Verwaltungsabläufe geleitet werden. Zudem sind die Studierenden mit Fluchthintergrund meist älter und haben sozialrechtliche und familiäre Verpflichtungen, die ein Hindernis im Studium oder Vorbereitungsstudium darstellen können. Internationale Studierende, die sich direkt nach der Schule für ein Studium in Deutschland entscheiden, sind im Anmelde-, Bewerbungs- und Einschreibeprozess zielorientierter. Während die erste Gruppe häufig im Heimatland bereits einen Karriereweg verfolgt hat, der unterbrochen wurde und in Deutschland nicht weiterverfolgt werden kann, startet die zweite Gruppe dahingehend gänzlich unbelastet. Dies wirkt sich auf die Studienmotivation aus.

Christina von Behr: Unabhängig von der Studienvorbereitung für internationale Studieninteressierte ist aber auch der Blick auf Hochschulen und Mitstudierende wichtig: Wie werden die internationalen Studierenden an den Hochschulen aufgenommen? Wie weit entwickelt sind die interkulturellen Skills von Lehrenden und Mitstudierenden, um Studierende aus anderen Ländern von Anfang an mitzunehmen und ein gemeinsames, erfolgreiches Studium für alle zu ermöglichen.

Welche konkreten Schlussfolgerungen ergeben sich aus Ihren Erfahrungen für die Hochschulpraxis?

Mirja Uschkureit: Kurz gesagt: Eine strukturierte Fachvorbereitung hilft internationalen Studieninteressierten, ein erfolgreiches Fachstudium zu absolvieren. Zu unseren Programmen gehört neben dem Spracherwerb auch die fachliche Vorbereitung. Diese findet nicht nur in fachspezifischen Grundlagenkursen eigens für die Academy-Studierenden statt, sondern umfasst auch den Besuch von Vorlesungen und Seminaren im künftigen Studienfach schon während des Sommersemesters. Damit verlangen wir ihnen viel ab, da es sich hierbei immer um Veranstaltungen des zweiten Fachsemesters handelt. Wir konnten aber feststellen, dass sie sich dadurch einen inhaltlichen Vorsprung erarbeiten und schon bei Studienbeginn wissen, was an der Hochschule auf sie zukommt – im Unterschied z. B. zu Studienanfängerinnen und Studienanfängern aus Deutschland, die nur mit ihrem Schulwissen an den Hochschulen starten.

Christina von Behr: Von unseren Alumni erhalten wir die Rückmeldung, dass das angebotene Mentoring eine große Hilfe war und den Einstieg ins Studium erleichterte. Interkulturelle Trainings, Seminare zu Studienkompetenzen, wie Quellen- und Literaturrecherche, Workshops zu akademischem Schreiben sowie Infoveranstaltungen zu Kommunikation im Hochschulkontext helfen unseren Vorbereitungsstudierenden beim Einstieg in das Studium. Sie sollten im Grunde genommen für alle Studieninteressierten angeboten werden – egal, ob sie aus dem Ausland oder aus Deutschland kommen.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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