29. März 2023

“Hochschulen sollten sich nicht auf das Engagement einzelner Lehrender verlassen”

Im sechsten Teil unserer Interview-Serie zum DAAD-Sammelband “Internationale Studierende in Deutschland: Perspektiven aus Hochschulforschung und Hochschulpraxis” sprechen wir mit Dr. Franziska Schulze-Stocker von der Technischen Universität Dresden. In Ihrem Sammelbandbeitrag beschreibt sie die Erfahrungen und Lerneffekte im Rahmen des Projekts „Erfolgreich – Digital – Integriert: Studium an der TU Dresden“ . Im Interview mit uns erläutert sie u.a., welche drei Verhaltensweisen in Bezug auf die Beratung und Betreuung von internationalen Studierenden sich im Rahmen einer Lehrendenbefragung an der TU Dresden herauskristallisierten.

Dr. Franziska Schulze-Stocker ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt EDI:TUD am Zentrum für Qualitätsanalyse der Technischen Universität Dresden. (Bildquelle: Michael Kretzschmar)

Was war Anlass und Ziel Ihres Projektes?

Internationale Studierende sind mit besonderen und vielfältigen Herausforderungen im Studienkontext konfrontiert, die den Weg zu einem erfolgreichen Studienabschluss erschweren können. Auf zentraler Ebene existieren an der TU Dresden bereits zahlreiche Betreuungs- und Integrationsangebote, die aber teilweise nicht ausreichend mit der Fach- und Lebenswelt der internationalen Studierenden verbunden sind, um die gewünschten Effekte zu erzielen. Daher setzt das Projekt „Erfolgreich – Digital – Integriert: Studium an der TU Dresden“ – kurz: EDI:TUD – auf eine enge Anbindung der internationalen Studierenden an ihre Fakultät. Es zielt darauf ab, Studierende dezentral in ihrem eigenen Studienumfeld anzusprechen, zu fördern und bei Problemen und Bedarfen zu unterstützen. Diese Herausforderungen sollen möglichst früh im Studienverlauf identifiziert werden, auch um internationale Studierende weiterführende zentrale Unterstützungsangebote zu vermitteln. Zur Förderung des Studienerfolgs internationaler Studierender sind zudem die Bedarfe der Lehrenden hinsichtlich der Ausbildung interkultureller und methodischer Kompetenzen relevant, sie werden daher im Projekt EDI:TUD auch ermittelt. So können passgenaue Angebote für Lehrende und Studierende konzipiert und durchgeführt werden. Grundlegend hierfür ist jeweils die wissenschaftliche Begleitung des Projekts, mit deren Hilfe Daten zu den spezifischen Bedarfen und Problemkonstellationen gesammelt werden.

Was sind die wichtigsten Befunde bzw. Ergebnisse Ihres Projektes aus Forschungsperspektive?

In der Analyse einer Lehrendenbefragung, an der im Jahr 2022 915 Lehrende der TU Dresden teilgenommen haben, und einer Gruppendiskussion mit fünf Lehrenden aus dem Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik wurden drei unterschiedliche Verhaltensweisen in Bezug auf die Beratung und Betreuung von internationalen Studierenden sichtbar. Diese Verhaltensweisen reichen vom persönlichen Anliegen, internationale Studierende zu unterstützen und zu beraten, über das Gefühl, mit dem Betreuungsauftrag allein gelassen zu sein, bis dahin, Studienerfolg ausschließlich als individuelle Bringschuld der internationalen Studierenden zu sehen. Beratung und Betreuung, so lässt sich festhalten, sind wichtig, aber zeitintensiv. Neben Schulungen zu Diversität und Kultur und mehr Einführungskursen sowie Beratungsangeboten für internationale Studierende wünschen sich die befragten Lehrenden vor allem mehr Zeit – sowohl für Betreuungsaufgaben als auch für Weiterbildungsmaßnahmen.

Welche konkreten Schlussfolgerungen könnten sich aus Ihrem Projekt für die Hochschulpraxis ergeben?

Hochschulen sollten sich nicht auf das Engagement einzelner Lehrender verlassen, schon allein deshalb, da konsistente Ergebnisse nur durch institutionalisierte Formen der Beratung und Betreuung sichergestellt werden können. Es braucht institutionalisierte Angebote und Ansprechpersonen, sowie erfolgreiche Maßnahmen, die als „Best Practice“ allen Lehrenden vermittelt werden können. Weiterhin ist eine bessere Kommunikation unter allen Beteiligten, also Studierenden, Lehrenden und der Universität selbst, wichtig und muss gefördert werden – denn keiner der genannten Akteurinnen und Akteure kann die vielseitigen Herausforderungen in Bezug auf einen gelingenden Studienverlauf internationaler Studierender allein bewältigen.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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