25. April 2023

“BintHo ist die größte Befragung zur internationalen Studierendenmobilität in Deutschland”

Aus welchen Gründen gehen junge Menschen zum Studium ins Ausland oder aus dem Ausland nach Deutschland? Dieser und anderen Fragen ist der DAAD im Wintersemester 2020/21 im Rahmen des Projekts “Benchmark internationale Hochschule” (BintHo) nachgegangen, das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert wird. An der ersten BintHo-Befragung nahmen insgesamt über 117.000 Studierende teil, darunter auch rund 14.000 internationale Studierende. Im Interview erläutert Studienleiter Jan Kercher, was der Anlass für das BintHo-Projekt war, welche Befunde aus seiner Sicht besonders bemerkenswert sind und wie es mit dem Projekt in Zukunft weitergeht.

Dr. Jan Kercher ist beim DAAD-Experte für externe Studien und Statistiken. (Bildquelle: Eric Lichtenscheid)

Herr Kercher, was war der Anlass dafür, dass der DAAD das BintHo-Projekt ins Leben gerufen hat? Und welches Konzept steckt genau dahinter?

Zwischen 2007 und 2017 hat der DAAD gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, dem DZHW, im Rahmen der sogenannten DAAD/DZHW-Mobilitätsstudien alle zwei Jahre Studierende in Deutschland zum Thema studienbezogene Auslandsmobilität befragt. Der ursprüngliche Anlass hierfür war damals eine Art Evaluation der Wirkung unserer Mobilisierungskampagne “go out!”, die Befunde dienten aber auch der Politik und der interessierten Öffentlichkeit als wichtige Informationsquelle zum Thema. Dieses Projekt haben wir 2017 dann beendet, weil wir zu der Auffassung gelangt sind, dass ein so groß angelegtes Befragungsprojekt auch für die Hochschulen selbst mit einem möglichst großen Nutzwert verbunden sein sollte.

Für das BintHo-Projekt sind wir deshalb von den Hochschulen als zentraler Zielgruppe der Datenerhebung und Ergebnisverwertung ausgegangen. Wir haben das Konzept des Projekts beispielsweise von Anfang an gemeinsam mit den Hochschulen entwickelt. Hierfür gab es damals – noch vor Corona und der damit verbundenen Ausweitung von Online-Meetings – vier konzeptionelle Präsenz-Workshops an vier verschiedenen Standorten in Deutschland, mit insgesamt rund 80 Vertreterinnen und Vertretern von interessierten Hochschulen. Ein Ergebnis dieser Workshops war, dass wir beschlossen haben, nicht – wie bei den früheren Mobilitätsstudien – nur inländische Studierende zu befragen, sondern auch internationale Studierende. Und wir haben gemeinsam mit den Hochschulen besprochen, welche Fragen für ihre praktische Arbeit am wichtigsten sind, um den Fragebogen möglichst zielgruppengerecht gestalten zu können.

Ein zentraler Unterschied zu den früheren Mobilitätsstudien war auch, dass wir nach dem Abschluss der ersten BintHo-Befragung im Wintersemester 2020/21 zuerst die sogenannten Benchmark-Dossiers für die 74 teilnehmenden Hochschulen erstellt haben. Diese enthalten die individuellen Befunde in Bezug auf die jeweilige Hochschule, zusätzlich aber auch jeweils einen Vergleichswert von anderen vergleichbaren Hochschulen aus dem Teilnehmerkreis. Gerade diese Vergleichswerte sind ein großer Mehrwert für die Hochschulen, da man sonst oft nicht einschätzen kann, was ein bestimmter Wert nun genau aussagt: Liegt man damit eher im Mittelfeld oder vielleicht sogar an der Spitze der jeweiligen Hochschul-Community? Oder zählt man im schlimmsten Fall zu den Schlusslichtern? Wie groß ist also genau der Handlungsbedarf in diesem Feld? Das lässt sich eigentlich nur beurteilen, wenn man sich auch mit anderen Hochschulen vergleichen kann, deshalb ist gerade diese Benchmark-Funktion eine der zentralen Stärken des BintHo-Projekts. Hinzu kommt, dass BintHo die größte Befragung zur internationalen Studierendenmobilität in Deutschland ist. Aufgrund der hohen Anzahl und des breit gefächerten Spektrums teilnehmender Hochschulen und befragter Studierender liefern diese Befunde also eine sehr aussagekräftige Bestandsaufnahme zur internationalen Studierendenmobilität in Deutschland zu Beginn der 2020er Jahre.

Der DAAD hat nun auch einen Gesamtbericht zur ersten BintHo-Befragung veröffentlicht. Was sind aus Ihrer Sicht dessen wichtigste Befunde? Und warum wird er erst so spät veröffentlicht?

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Die erste BintHo-Befragung fiel mitten in die Hochphase von Corona. Da hatten sowohl wir als auch der Befragungsdienstleister, mit dem wir im Rahmen des Projekts zusammengearbeitet haben, unter teilweise massivem Personalmangel zu leiden. Das Projektteam war zusätzlich auch noch direkt vom Ahrhochwasser im Sommer 2021 betroffen. Diese und anderen Faktoren haben dazu geführt, dass der Bericht nun leider erst deutlich später erscheint, als wir das ursprünglich geplant hatten. Wir sind aber sehr optimistisch, dass uns das bei der zweiten BintHo-Runde nicht noch einmal passieren wird, so viel Pech auf einmal ist ja glücklicherweise eher selten.

Was die wichtigsten Befunde des BintHo-Projekts angeht: Die sind aufgrund der Fülle der erhobenen Daten tatsächlich gar nicht so einfach in ein paar Sätzen zusammenzufassen. Ich empfehle allen interessierten Leserinnen und Lesern daher zumindest einen Blick in die Zusammenfassung des Berichts, die wir übrigens auch auf Englisch veröffentlicht haben. Von dort aus kann man dann auch gezielt auf die Berichtsteile zugreifen, die für die eigene Arbeit besonders relevant erscheinen.

Um dennoch wenigstens drei inhaltliche Befunde zu nennen, die mir besonders bemerkenswert erscheinen: Für mehr als drei Viertel der befragten internationalen Studierenden stellte Deutschland die erste Wahl als Gastland war. Die wichtigsten Gründe für das Studium in der Bundesrepublik waren dabei ein attraktives Studienangebot und gute Studienbedingungen an den Hochschulen, das internationale Renommee des deutschen Studienabschlusses sowie gute berufliche Perspektiven nach dem Studium. Zugleich wünschten sich rund 40 Prozent der einheimischen Studierenden mehr internationale Kommilitonen und Kommilitoninnen, nur ein Prozent hätte gerne weniger internationale Studierende an der eigenen Hochschule.

Die BintHo-Studie belegt auch einen Zusammenhang zwischen dem Verhalten von Lehrenden und der Auslandsmobilität ihrer Studierenden: Unter den Studierenden die angaben, dass sie nie von Lehrenden zu einem Auslandsaufenthalt ermutigt wurden, fällt der Anteil der auslandsmobilen Studierenden am niedrigsten aus. Besonders hoch fällt dieser Anteil hingegen in der Gruppe der Befragten aus, die erklärten, alle Lehrenden hätten sie zu einem Auslandsaufenthalt ermutigt.

Auch zum Thema Digitalisierung und virtuelle Auslandsmobilität liefert der BintHo-Bericht spannende Befunde: Insgesamt nutzt bereits ein Viertel der inländischen Studierenden verschiedene digitale Anwendungen aus den Angeboten von Hochschulen im Ausland. Und etwa ein Fünftel der inländischen Studierenden, die einen physischen Auslandsaufenthalt geplant hatten, diesen Plan jedoch verwerfen mussten, sahen in einem virtuellen Auslandsaufenthalt eine attraktive Alternative. Als vorteilhaft bewerteten sie hierbei vor allem, dass die Kosten niedriger ausfallen, ein geringerer Organisationsaufwand anfällt und keine Trennung vom sozialen Umfeld in Deutschland notwendig ist.

Nachdem die erste BintHo-Befragung mit der Veröffentlichung des Ergebnisberichts nun endgültig abgeschlossen ist: Wie wird es mit dem Projekt weitergehen? Und was sollten Hochschulen tun, die sich für eine Teilnahme am Projekt interessieren?

Da wir den Nutzwert für die teilnehmenden Hochschulen maximieren wollen, war das Projekt von Anfang an als langfristiges Monitoring-Projekt angelegt. Denn nur so haben die Hochschulen die Möglichkeit, mögliche Effekte der von ihnen ergriffenen Internationalisierungs- oder Mobilisierungsmaßnahmen auch messen zu können. Wir haben mit den teilnehmenden Hochschulen deshalb einen Befragungsturnus von drei Jahren abgestimmt. Die nächste BintHo-Befragung wird also bereits im kommenden Wintersemester stattfinden. Die Vorbereitungen hierfür haben bei uns bereits begonnen, in den nächsten Wochen werden wir auch auf die Hochschulen zugehen und diese über die weiteren Schritte informieren. Wir wenden uns dabei sowohl an die Hochschulen, die bereits an der ersten Befragung teilgenommen haben, als auch an die Hochschulen, die beim ersten Mal noch nicht dabei waren und nun gerne bei dem Projekt einsteigen wollen.

Die Zeit bis zum Wintersemester werden wir vor allem für die Überarbeitung und Abstimmung des Fragebogens nutzen. Das ist bei so vielen Beteiligten ein recht komplexer und langwieriger Prozess. Aber die erste BintHo-Befragung hat gezeigt, dass sich dieser Aufwand am Ende lohnt.

Interessierte Hochschulen können sich gerne jederzeit bei mir direkt melden oder sich erst einmal auf der Projekt-Website informieren. Wir freuen uns über jede weitere Hochschule, die sich am Projekt beteiligt, denn mit jeder weiteren Hochschule steigt die Aussagekraft der Datenbasis und der Benchmarking-Analysen!

Quelle: DZHW

Autor: Dr. Ulrich Heublein, DZHW

Ulrich Heublein ist seit 1991 am DZHW tätig und Projektleiter in der Abteilung "Bildungsverläufe und Beschäftigung". Seine Forschungsinteressen gelten den Bedingungen erfolgreichen Studierens, den Ursachen des Studienabbruchs sowie der Internationalisierung von Studium und Forschung. Er hat Germanistik und Publizistik an der Universität Leipzig studiert und 1986 in Germanistik promoviert.

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