6. Juni 2023

“Es gibt einen Bedarf, Lehrende an Universitäten für die Gestaltung von BIPs vorzubereiten”

Sina Werner arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Englische Seminar und die Professional School of Education an der Ruhr-Universität Bochum. Gemeinsam mit Robert O’Dowd, Associate Professor für Englisch als Fremdsprache und Angewandte Linguistik an der Universidad de León in Spanien, hat sie vor Kurzem eine europaweite Umfrage zum Einsatz der “Blended Intensive Programmes” (BIPs) durchgeführt, die mittlerweile im Rahmen von Erasmus+ gefördert werden. Im Interview erläutert sie den Anlass für diese Umfrage, zentrale Befunde sowie Schlussfolgerungen für die Hochschulpraxis, die sich aus den Befunden ergeben.

Können Sie zunächst kurz erläutern, was der Anlass für Ihre Umfrage war und wie Sie diese genau durchgeführt haben?

Sina Werner arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Englische Seminar und die Professional School of Education an der Ruhr-Universität Bochum. (Bildquelle: privat)

Der Anlass für unsere Umfrage waren im Wesentlichen zwei Aspekte: Zum einen haben Robert O’Dowd und ich gemeinsam ein Blended Intensive Programme durchgeführt und auf diese Weise erste Erfahrungen zu dem Lehrformat machen können. Zum anderen haben wir wahrgenommen, dass das Interesse an BIPs zwar sehr hoch ist, diese aber bislang noch wenig beforscht sind, und auch Ideen, wie sich dieses komplexe Format erfolgreich umsetzen lässt, bislang noch fehlen. Vor allem durch das überaus positive Feedback unserer Studierenden, aber auch durch unsere eigenen Erfahrungen bei der Planung und Durchführung ist uns aufgefallen, wie gewinnbringend BIPs sein können und gleichzeitig, mit wie viel Aufwand eine sinnvolle Gestaltung verbunden ist. Unsere Idee war also, mit anderen Koordinatorinnen, Koordinatoren und Lehrenden in den Austausch zu kommen, um eine Art „Good Practice“ ableiten zu können, aber auch zu schauen, in welchen Bereichen BIPs überhaupt durchgeführt und wie sie organisiert werden. Natürlich haben wir auch ein Interesse, zu erforschen, welche Herausforderungen sich bei der Planung und Durchführung ergeben. Hierfür haben wir dann einen Fragebogen mit hauptsächlich offenen Items entwickelt, der von ungefähr 200 Teilnehmenden ausgefüllt wurde. Die Antworten haben wir gemeinsam ausgewertet, d.h. qualitativ-inhaltlich analysiert, um Gestaltungsmöglichkeiten für BIPs abzuleiten.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Befunde der Umfrage? Gab es hierbei aus Ihrer Sicht Überraschungen?

Einer der wichtigsten Befunde ist, welche Chancen aus Sicht der Koordinatorinnen und Koordinatoren mit BIPs verbunden sind. So hat ein Drittel der Befragten geantwortet, dass Studierende durch die Teilnahme an BIPs die Gelegenheit haben, in internationalen Teams zu arbeiten und ein professionelles Netzwerk aufzubauen. Darüber hinaus haben sie zum Teil Vorteile für Studierende gesehen, die durch die Teilnahme ihre interkulturellen Kompetenzen und eine interkulturelle Perspektive entwickeln können. Das Spannende an diesen Ergebnissen ist, dass Studierende diese ersten Erfahrungen aus Sicht der Befragten machen können, ohne einen mehrmonatigen Auslandsaufenthalt absolvieren zu müssen. Es war außerdem spannend zu sehen, dass viele Koordinatorinnen und Koordinatoren ihr BIP genau so aufgebaut haben wie wir, d.h. dass sie mit einer Phase der Online-Kollaboration begonnen und mit der Kollaboration vor Ort abgeschlossen haben. Interessant war zudem, dass die Herausforderungen nicht etwa bei der Umsetzung des BIPs liegen, also nicht in der Durchführung des Kurses und in der Arbeit mit den Studierenden, sondern hauptsächlich im Bereich der Administration, der nicht ausreichenden Förderungssumme der Studierenden und der Planung. Für die Praxis sind sicherlich auch die Good Practice-Empfehlungen hilfreich, die wir auf Grundlage der zahlreichen Antworten entwickeln konnten.

Welche Schlussfolgerungen für die Hochschulpraxis ergeben sich aus den Befunden?

Die wichtigsten Schlussfolgerungen für die Hochschulpraxis sind sicherlich die oben genannten Empfehlungen zur Good Practice. So konnten wir ableiten, welche Aufgabenformate als besonders geeignet für die verschiedenen Phasen angesehen werden können. Für die Online-Phase sind das vor allem Formate, die einen theoretischen Schwerpunkt haben und für die Phase vor Ort vor allem soziale und kulturelle Aktivitäten. Wir haben auch Tipps für all diejenigen entwickelt, die an BIPs interessiert sind und diese zukünftig umsetzen möchten. Hier sind vor allem die frühzeitige Planung, die Zusammenarbeit mit den International Offices und die Bereitstellung einer guten Struktur und Organisation als Gelingensbedingung zu nennen. Die Befragten gaben außerdem an, dass die enge und gute Zusammenarbeit mit den beteiligten Partnerhochschulen besonders wichtig ist. Darüber hinaus konnten wir durch unsere Studie sehen, dass es durchaus einen Bedarf gibt, Lehrende an Universitäten für die Gestaltung von BIPs vorzubereiten und dieses Kursformat und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen noch intensiver zu beforschen.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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