7. Juli 2023

“Die Organisation von Auslandsaufenthalten für Lehramtsstudierende muss vereinfacht werden”

Kim Hartung arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und promoviert im Bereich multiprofessionelle Kooperation an Ganztagsgrundschulen. In ihrer erst kürzlich an der Universität Kiel abgeschlossenen Masterarbeit befasste sie sich mit der Frage, warum Kieler Lehramtsstudierende sich für oder gegen einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt entscheiden. Im Interview erläutert sie, was der Anlass für diese Forschungsfrage war, was die zentralen Befunde der Untersuchung sind und welche Schlussfolgerungen sich aus ihrer Sicht hieraus für die Hochschulpraxis ergeben.

Kim Hartung arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin und promoviert im Bereich multiprofessionelle Kooperation an Ganztagsgrundschulen (Bildquelle: privat)

Sie haben in Ihrer Masterarbeit – auch auf Basis von Daten der BintHo-Befragung des DAAD – untersucht, warum Lehramtsstudierende der Universität zu Kiel sich für oder gegen einen Auslandsaufenthalt während ihres Studiums entscheiden. Was war der Anlass für diese Themenwahl und wie sind Sie bei Ihrer Untersuchung genau vorgegangen?

Das Thema meiner Masterarbeit habe ich aus eigenem Interesse gewählt. Ich habe während meines Studiums selbst zwei Auslandssemester durchgeführt, die für mich in vielerlei Hinsicht gewinnbringend waren und eine unvergessliche Zeit darstellen. Nach meiner Rückkehr habe ich mich gefragt, warum viele meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen keinen Auslandsaufenthalt durchführen und an der Universität Kiel jedes Jahr viele Plätze für Auslandsaufenthalte nicht besetzt werden.

Ich habe mich auf Studierende der Universität Kiel fokussiert, da eine Untersuchung aller Studierenden in Deutschland im Rahmen einer Masterarbeit nicht möglich gewesen wäre. Während meiner Recherche bin ich immer wieder auf den Befund gestoßen, dass in Deutschland Lehramtsstudierende im Vergleich mit Studierenden anderer Fächer seltener einen Auslandsaufenthalt durchführen. Dabei gibt es gerade für Lehramtsstudierende eine Reihe von Möglichkeiten, nicht nur ein Auslandssemester durchzuführen, sondern sich durch praktische Tätigkeiten im Ausland intensiver mit Fremdsprachen und dem Unterrichten in anderen Ländern auseinanderzusetzen. Daraus ergab sich die Forschungsfrage meiner Masterarbeit: Welche Motive und Bremsfaktoren spielen bei Lehramtsstudierenden der Universität Kiel eine Rolle bei der Entscheidung für oder gegen einen Auslandsaufenthalt?

Im theoretischen Teil der Arbeit habe ich zunächst viele relevante Aspekte von studienbezogenen Auslandsaufenthalten wie Programme, Teilnehmendenzahlen und mögliche Effekte auf die Studierenden erläutert. Dabei habe ich mich zuerst allgemein auf Studierende aller Fächer und dann spezifisch auf Lehramtsstudierende bezogen. Auf Grundlage des theoretischen Hintergrunds habe ich dann einen Fragebogen für eine quantitative Umfrage entwickelt, mit dem ich sowohl Lehramtsstudierende befragt habe, die schon einen Auslandsaufenthalt durchgeführt haben, als auch Studierende, die noch keinen absolviert haben. Der Fragebogen umfasste zwei Teile: Zunächst habe ich den Studierenden einige Aspekte vorgelegt und gefragt, inwiefern diese sie für einen Auslandsaufenthalt motiviert haben oder motivieren würden. Im zweiten Teil habe ich auf die gleiche Art und Weise die Bremsfaktoren untersucht, und gefragt, inwiefern bestimmte Aspekte die Studierenden davon abgehalten haben oder abhalten würden, einen Auslandsaufenthalt durchzuführen.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Befunde Ihrer Untersuchung? Gab es hier aus Ihrer Sicht auch besonders überraschende Ergebnisse?

Die Befunde zeigen, dass Kieler Lehramtsstudierende dann für eine Studienphase im Ausland motiviert sind, wenn sie verstehen, dass damit neue Erfahrungen und kulturelle Erlebnisse sowie bereichernde Kontakte und sogar anhaltende Freundschaften mit Menschen aus anderen Ländern verbunden sind. Die Erkenntnis, dass sich durch studienbezogene Auslandsaufenthalte die eigene Persönlichkeit weiter entwickeln kann, hat eine besonders motivierende Wirkung. Über 60 Prozent der Befragten haben auch angegeben, dass ein Auslandsaufenthalt einen Pluspunkt für die eigene berufliche Karriere darstellt. Dies ist überraschend, da in vorangegangenen Studien deutlich weniger Lehramtsstudierende angaben, durch einen Auslandsaufenthalt ihre Karriere positiv beeinflussen zu wollen. Eine Erklärung für diesen Befund könnte sein, dass zur Stichprobe meiner Masterarbeit eine große Anzahl von Fremdsprachenstudierenden gehört. Auch wenn über den Einfluss von Auslandsaufenthalten auf den späteren Berufsweg von Lehrerinnen und Lehrern bisher nur wenig bekannt ist, so ist es doch nicht unwahrscheinlich, dass sich gerade Lehramtsstudierende für Fremdsprachen durch Studienphasen im Ausland bessere Chancen Arbeitsplätze erhoffen.

Die Ergebnisse zu den Bremsfaktoren haben gezeigt, dass für die Studierenden finanzielle Gründe und die mit einem Auslandsaufenthalt verbundenen Kosten eine große Rolle bei der Entscheidung gegen einen Auslandsaufenthalt einnehmen. Dabei geht es nicht nur um Kosten im Zusammenhang mit der Zeit im Ausland die Kosten während der Zeit im Ausland, sondern auch darum, dass sich durch den Aufenthalt das Studium verlängert und die Studierenden dadurch eine längere Studienzeit finanzieren müssen. Dies wird auch durch den Befund untermauert, dass ein Großteil der Befragten angegeben hat, ein Auslandsaufenthalt sei nur schwierig mit dem Curriculum der verschiedenen Studienfächer zu vereinbaren.

Welche Schlussfolgerungen für die Hochschulpraxis ergeben sich aus Ihrer Sicht aus Ihren Befunden? Gäbe es naheliegende Wege, um noch mehr Lehramtsstudierende von einem Auslandsaufenthalt zu überzeugen?

Eine umfassende Informationskampagne über die Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte während des Lehramtsstudiums wäre wichtig, um den Studierenden zu zeigen, dass es zum einen viel mehr als das klassische Auslandssemester gibt und dass zum anderen eine Vielzahl von Möglichkeiten bestehen, während eines Auslandsaufenthaltes finanziell gefördert zu werden. Darüber hinaus muss die Organisation von Auslandsaufenthalten für Lehramtsstudierende vereinfacht werden. Das ist allerdings nicht ganz so trivial, da Lehramtsstudierende mindestens zwei, aber auch oft drei Fächer studieren. Flexiblere Studienpläne sowie mehrere Mobilitätsfenster im Curriculum könnten dafür sorgen, dass die Studierenden durch einen Auslandsaufenthalt in einem ihrer Fächer keine Zeit in den anderen Fächern verlieren. Außerdem wäre es wichtig, die Anerkennung von Studienleistungen bei allen Arten von Auslandsaufenthalten zu vereinfachen, um den Studierenden garantieren zu können, dass sich ihr Studium durch den Auslandsaufenthalt nicht verlängert.

Quelle: Eric Lichtenscheid

Autor: Dr. Jan Kercher, DAAD

Jan Kercher ist seit 2013 beim DAAD tätig und Projektleiter für die jährliche Publikation Wissenschaft weltoffen. Darüber hinaus ist er im DAAD für verschiedene andere Projekte zum Austausch zwischen Hochschulforschung und Hochschulpraxis sowie die Durchführung von Studien- und Datenerhebungsprojekten zur akademischen Mobilität und Internationalisierung der Hochschulen zuständig.

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