18. Januar 2024

“Studierende erleben gerade in internationalen Studienangeboten das eigene Potential”

Warum gehen Studierende für ein Semester ins Ausland oder nehmen an internationalen Konferenzen teil? Das hat eine qualitative Interview-Studie von Monika Staab und Prof. Dr. Regina Egetenmeyer an der Uni Würzburg untersucht. Dabei standen nicht nur individuelle Motivlagen im Mittelpunkt der Analyse, sondern ebenso die institutionellen Strukturen und deren mobilitätsfördernde oder -hemmende Wirkungen. Im Interview stellen die Autorinnen dar, warum es wichtig ist, diese Fragen auch in jenen Studiengängen zu untersuchen, die scheinbar weniger im Fokus von universitären Internationalisierungsaktivitäten stehen und welche Empfehlungen sich daraus für die Internationalisierungsstrategie einer Hochschule ergeben.

Monika Staab ist unabhängige Forscherin und Trainerin in der Erwachsenenbildung/Weiterbildung (Bildquelle: privat). Regina Egetenmeyer ist Professorin für Erwachsenenbildung/Weiterbildung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (Bildquelle: privat).

Frau Staab und Frau Prof. Egetenmeyer, Sie haben Mobilitätsmotive bei Masterstudierenden in Studiengängen mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung untersucht. Warum denken Sie, ist es wichtig, sich auch in diesen Fächern, die gemeinhin nicht im Mittelpunkt von Internationalisierungsbemühungen stehen, mit Fragen der studentischen Auslandsmobilität zu beschäftigen?

Staab: Wir sehen, dass sich Absolventinnen und Absolventen der Erwachsenenbildung zunehmend in einem globalen und internationalen Umfeld wiederfinden. Dies zeigt sich beispielsweise bei den Integrationskursen, die häufig von ihnen geplant und organisiert werden. Aber auch die Personalentwicklung von Unternehmen internationalisiert sich. Und nicht zuletzt spiegelt sich die zunehmende Internationalisierung unserer Gesellschaft auch bei den Teilnehmenden von Angeboten der Erwachsenenbildung und Weiterbildung wider. Die Fähigkeit, Bildungsangebote in internationalen Settings zu organisieren, wird so zur notwendigen Kompetenz für Personen, die im Bereich der Erwachsenenbildung und Weiterbildung arbeiten. Die Ergebnisse meines Promotionsprojekts zeigen, dass Studierende diese Fähigkeit in internationalen Lehr-Lernsettings entwickeln können. Besonders spannend ist zu sehen, dass dies nicht nur für studienbezogene Auslandsaufenthalte zutrifft. Vielmehr umfassen die internationalen Lehr- und Lernsettings auch Lehrveranstaltungen internationaler Dozierender, die Anwesenheit von internationalen Studierenden oder die Teilnahme an internationalen Konferenzen an der Heimatuniversität. Internationalisierung at home kann im breiten Sinne zur internationalen Professionalisierung von Studierenden beitragen.

Egetenmeyer: Aufgrund des Bedarfs in den Praxisfeldern von Erwachsenenbildung und Weiterbildung sehen wir eine hohe Notwendigkeit, dass Studierende internationale Erfahrungen in ihr Studium integrieren. Es gibt eine fachliche Notwendigkeit dafür. Da wir jedoch zu den Studiengängen zählen, in denen Studierende häufig zu denjenigen gehören, die in ihrer Familie als erste ein Studium aufnehmen, bedarf es hier einer gesonderten Strategie und Unterstützung. Dafür ist es sehr hilfreich, Einblicke in die Motivlage der Studierenden zu erhalten.

Auf welche Art und Weise haben Sie die Motive für studienbezogene Auslandsaufenthalte sowie den Einfluss institutioneller Strukturen auf das Mobilitätsinteresse bzw. die Realisierung von Mobilitätsabsichten erkundet?

Staab: Die Analyse der Motive beruht auf 22 leitfadengestützten Interviews mit Absolventinnen und Absolventen aus drei Masterstudiengängen mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung an den Universitäten Würzburg, Belgrad und Florenz. Die Daten wurden im Rahmen meines Promotionsprojekts „International Teaching and Learning Settings in the Academic Professionalisation of Adult Education: An International and Comparative Study“ zwischen Februar 2020 bis Juli 2020 erhoben. Die Interviewten wurden rückblickend zu ihrer Teilnahme an unterschiedlichen Formen internationaler Lehr-Lernsettings und den dahinter liegenden Gründen befragt. Somit standen nicht nur studienbezogene Auslandsaufenthalte im Fokus der Untersuchung, sondern auch Aspekte von Internationalisierung at home. Die Aussagen beziehen sich auf internationale Erfahrungen vor Beginn der Covid-19 Pandemie. Dabei erfolgte die Auswertung zum einen länderübergreifend, da viele Motive und Gründe an allen drei Studienstandorten gleich sind. Zum anderen wurden auch länder- und hochschulspezifische Annahmen ermittelt. Gründe für die Teilnahme an internationalen Lehr-Lernsettings stehen beispielsweise in Bezug zur nationalen Arbeitsmarktsituation oder den spezifischen curricularen Strukturen des Studiengangs.

Egetenmeyer: Wir konnten feststellen, dass unterstützende institutionelle Strukturen an den Hochschulen hoch relevant sind. Die Analyse zeigt, dass gerade die Rahmenbedingungen für die Teilnahme der Studierenden an internationalen Lehr-Lernsettings sehr bedeutsam sind.

Was sind die zentralen Ergebnisse Ihrer Analyse? Und welche Empfehlungen ergeben sich daraus für hochschulische Internationalisierungsstrategien?

Staab: Im Bereich der individuellen Motive sind sowohl akademische, berufsbezogene, persönliche und soziale Gründe für studienbezogene Auslandsaufenthalte relevant. Beispielsweise äußern Studierende den Wunsch, neue Themen und unterschiedliche Perspektiven auf Bildung und Erwachsenenbildung kennen zu lernen, die über das Angebot im regulären Studium hinausgehen. Auf der institutionellen Ebene sind einfache Strukturen und attraktive Rahmenbedingungen, die bei den Studierenden Vertrauen für die Machbarkeit der Teilnahme wecken, sehr wichtig. Hierzu zählt auch, den Studierenden vorab ausreichend Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Gründe sind dabei immer als Zusammenspiel von individuellen Motiven und institutionellen Rahmenbedingungen zu verstehen.

Egetenmeyer: Die Studie zeigt, dass es wichtig ist, Internationalisierung in Studienangeboten divers zu denken und dabei alle Formen internationaler Lehr-Lernsettings für Internationalisierung at home, von Lehrveranstaltungen internationaler Gastdozierender, Kurzzeitangeboten wie Blended-Intensive-Programmes, bis hin zu englischsprachigen Studiengängen und Double-Degree-Abkommen, mitzudenken. Die Breite trägt zur Zugänglichkeit der Angebote bei und ermöglicht es, mehr Studierende zu erreichen. Durch Internationalisierung at home können Studierende einbezogen werden, denen ein studienbezogener Auslandsaufenthalt nicht möglich ist. Gleichzeitig bieten Kurzzeitangebote, in denen ganze Gruppen eines Studiengangs an internationalen Lehr-Lernsettings teilnehmen, mehr Unterstützung für unsichere Studierende. Hier empfiehlt sich auch eine Integration der internationalen Angebote in das Curriculum, so dass internationale Studienangebote nicht nur als Zusatzangebote realisiert werden. Auch der Austausch mit Studierenden, die bereits im Ausland waren, kann verbleibende Zweifel abbauen und eine positive Gruppendynamik fördern. Für Hochschulen ist es deshalb sehr wichtig, ein professionelles Mobilitätsmanagement aufzubauen, das Studierende klar und zielorientiert unterstützt. Unabdingbar ist auch die finanzielle Unterstützung, die es vielen Studierenden erst ermöglicht, studienbezogene Auslandsaufenthalte durchzuführen. Unsere Erfahrung ist, dass Studierende gerade in internationalen Studienangeboten das eigene Potential und die Motivation zu besonders guten Leistungen erleben.

Quelle: DZHW

Autor: Dr. Ulrich Heublein, DZHW

Ulrich Heublein ist seit 1991 am DZHW tätig und Projektleiter in der Abteilung "Bildungsverläufe und Beschäftigung". Seine Forschungsinteressen gelten den Bedingungen erfolgreichen Studierens, den Ursachen des Studienabbruchs sowie der Internationalisierung von Studium und Forschung. Er hat Germanistik und Publizistik an der Universität Leipzig studiert und 1986 in Germanistik promoviert.

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